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Diversität und Unternehmenserfolg

Führt Diversität wirklich zu mehr Unternehmenserfolg? Diese Frage untersuchte Nico Hahn in einer bemerkenswerten Masterarbeit an der IU Internationalen Hochschule Erfurt. Hahn analysierte die Diversität von Vorstandsteams von 47 Genossenschaftsbanken und setzte sie mit dem Unternehmenserfolg in Zusammenhang. Der Unternehmenserfolg wurde über Reingewinnspanne, Gesamtkapitalrentabilität, Cost-Income-Ratio, und Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit operationalisiert. Die Diversität der Vorstände der 47 Genossenschaftsbanken wurde mit Hilfe des Big-Five-Persönlichkeitstests (B5T®) von Dr. Satow ermittelt. (English version of this article)
Der Big-Five-Persönlichkeitstests (B5T®) erfasst neben den fünf grundlegenden Persönlichkeitsfaktoren (Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Offenheit, Verträglichkeit) auch die drei Grundmotive „Leistungsmotivation“ (Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung), „Machtmotivation“ (Bedürfnis nach Einfluss und Macht) und „Sicherheitsmotivation“ (Bedürfnis nach Sicherheit und Ordnung). Der Test kann für nicht-kommerzielle Forschungs- und Unterrichtszwecke kostenlos eingesetzt werden. Als Maß der Diversität innerhalb der Vorstandsteams wurde von Hahn die Standardabweichung in Hinblick auf diese Persönlichkeitsdimensionen zu Grunde gelegt.

Persönlichkeit der Vorstände

Im ersten Schritt untersuchte Hahn die Persönlichkeit der Vorstandteams und verglich sie mit der Normstichprobe des Big-Five-Persönlichkeitstest. Dabei zeigte sich, dass die Vorstände im Durchschnitt a) emotional deutlich stabiler (geringe Werte für den Persönlichkeitsfaktor Neurotizismus), b) deutlich extravertierter, geselliger und energiegeladener (höhere Werte für den Persönlichkeitsfaktor Extraversion) und c) deutlich weniger sicherheitsorientiert (geringere Werte für das Grundmotiv „Bedürfnis nach Sicherheit“) waren als die Normstichprobe.
Persönlichkeit der Vorstände von 47 Genossenschaftsbanken (Hahn, 2023)

Persönlichkeit der Vorstände von 47 Genossenschaftsbanken (Hahn, 2023)

Dauer der Teamzusammensetzung der Vorstände

Im zweiten Schritt untersuchte Hahn die Zusammenhänge mit den Indikatoren des Unternehmenserfolg: Reingewinnspanne, Gesamtkapitalrentabilität, Cost-Income-Ratio sowie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit.
Ein bemerkenswerter Zusammenhang fand sich zwischen der Dauer der Teamzusammensetzung der Vorstände und der Reingewinnspanne (r = .24). Auch wenn der Korrelationskoeffizient nicht sehr groß ausfällt, ist er doch umso bemerkenswerter, als er einen Zusammenhang zwischen einem sehr harten Indikator des Unternehmenserfolgs (Reingewinnspanne) und einem weichen, sehr weit entfernten Team-Indikator aufzeigt: Die Reingewinnspanne ist umso höher, je länger die Vorstandteams bereits zusammenarbeiten.

Diversität der Vorstandsteams

Im dritten Schritt untersuchte Hahn die Zusammenhänge zwischen Diversität der Vorstandteams und dem Unternehmenserfolg. Als Maß der Diversität innerhalb der Vorstandsteams wurde von Hahn die Standardabweichung in Hinblick auf die Persönlichkeitsdimensionen zu Grunde gelegt.
Auch hier fanden sich bemerkenswerte Zusammenhänge: So korrelierte die Diversität in Bezug auf die Persönlichkeitsdimension Gewissenhaftigkeit negativ mit der Reingewinnspanne (r = -.23). Da die Korrelation negativ ausfällt, spricht das gegen die Hypothese, dass Diversität zu mehr Unternehmenserfolg führt. Vielmehr scheint es so zu sein, dass ein gleichermaßen gewissenhafter, integer Vorstand den Reingewinn positiv beeinflusst. Wurden nur die besonders gewissenhaften Vorstände untersucht, zeigte sich ein noch bedeutenderer negativer Zusammenhang zwischen Diversität in Bezug auf Gewissenhaftigkeit und Reingewinnspanne (r = -.33).
Ein ähnlicher Zusammenhang fand sich zudem zwischen der Diversität hinsichtlich der Leistungsmotivation der Vorstände und der Kundenzufriedenheit (r = -.32): Auch hier galt: Diversität in Bezug auf die Leistungsmotivation führte nicht zu einer höheren Kundenzufriedenheit – sondern eher umgekehrt: Ein gleichermaßen leistungsmotivierter Vorstand erhöhte die Kundenzufriedenheit. Bei besonders leistungsmotivierten Vorständen wirkte sich die Diversität sogar noch negativer auf die Kundenzufriedenheit aus (r = -.63).
Nur beim Sicherheitsmotiv fand sich ein positiver Zusammenhang zwischen Diversität und Unternehmenserfolg (r = .22): Unterschieden sich die Vorstände in ihrer Sicherheitsmotivation, war auch die Kundenzufriedenheit höher. Wurden nur die besonders sicherheitsmotivierten Vorstände betrachtet ging die Diversität beim Sicherheitsmotiv auch mit einer höheren Reingewinnspanne einher (r = .50).

Zusammenfassung

Die Ergebnisse sind bemerkenswert, weil sie zum einen Zusammenhänge zwischen harten Indikatoren des Unternehmenserfolgs und der Zusammensetzung der Vorstände belegen und zum anderen auch, weil sie zeigen, dass Diversität nicht in allen Fällen von Vorteil ist. Vielmehr scheint es so zu sein, dass in Bezug auf Gewissenhaftigkeit, Integrität und Leistungsmotivation Diversität sogar von Nachteil sein kann. Nur beim Sicherheitsmotiv scheint Diversität einen Vorteil zu bieten. Bei dieser Persönlichkeitsdimension scheint es sinnvoll zu sein, einige sicherheitsorientierte und einige risikoorientierte Vorstände im Team zu haben.